In 2014 hatte ich versucht, ein Jahr lang nur Kleidung zu kaufen, deren Näherinnen fair entlohnt wurden. Ich nannte das Projekt „One Year fair Clothes„. Nach Ende des Projektes verfolgte ich das Ziel weiter, wenn auch mit Einschränkungen. Inzwischen reicht für mich eine reine Eingrenzung nach fairer Entlohnung nicht mehr.
Seit ca. vier bis fünf Jahren bemerke ich eine immer schlechter werdende Qualität in den Bekleidungsgeschäften. Kleidung hält immer weniger. Sie verwäscht schneller, färbt häufiger ab, läuft mehr ein bzw. verdreht sich mehr. Hinzu kommen immer mehr Stoffeinsparungen, in dem z. B. die Nähte immer knapper gefasst, Taschen kleiner werden oder ganz fehlen, Stellen geklebt anstatt genäht werden. Des Weiteren werden die Stoffe immer dünner, weshalb sie schneller Löcher bekommen oder reißen. Außerdem wird den Stoffen immer mehr Plastik beigemischt (Elasthan, Polyester etc.), weshalb sie nicht mehr recycelt werden können. Immer mehr Kollektionen im Jahr und die Suggestion der Modeindustrie, dass Mode nur kurz getragen werden kann, tun ihr Übriges für immer mehr Bekleidungsmüll.
Wegwerfware Kleidung
Laut einer Greenpeace-Umfrage besitzt jeder Deutsche ca. 95 Kleidungsstücke (Männer 79, Frauen 118). Jedes fünfte Kleidungsstück wird so gut wie nie getragen. Das sind 1 Milliarde ungenutzte Kleidungsstücke in Deutschlands Schränken. Eine weitere Milliarde wird seltener als alle drei Monate getragen. Somit sind 40% aller Kleidungsstücke deutschlandweit Schrankleichen.
Hinzu kommen immer kürzere Intervalle der Nutzung. Nur 21% der Befragten tauschten Kleidung NUR wenn sie kaputt war oder nicht mehr passte. Viel häufiger wurde Kleidung aussortiert, wenn sie nicht mehr gefiel. (Quelle: Wegwerfware Kleidung, Greenpeace)
Inzwischen funktioniert Altkleidersammlung nicht mehr, da immer mehr Kleidung nicht verwertbar ist und verbrannt werden muss. Dies kostet den Sammlern, häufig caritative Einrichtungen, mehr Geld, als der Verkauf der Kleidung einbringt. Immer mehr Altkleidercontainer werden abgebaut. Der Altkleiderkreislauf droht zu kollabieren.
In diesem Zusammenhang musste ich den Blick nur auf die faire Produktion hinterfragen. Faire Bezahlung alleine berührt den Umweltaspekt null. Kleidung muss lange halten und recyclefähig sein, um nachhaltig und damit umweltschonend zu sein. Somit fing ich in 2020 an, Kleidung auch unter dem nachhaltigen Aspekt zu konsumieren.
Wann ist Kleidung nachhaltig?
Der Begriff nachhaltig kam ursprünglich aus der Forstwirtschaft und sagte aus, dass etwas lange in die Zukunft geplant bzw. für die Zukunft angelegt wurde. Inzwischen bedeutet nachhaltig, dass der Konsum die Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme berücksichtigt. Die politischen Leitbegriffe für Nachhaltigkeit sind:
- Suffizienz: Reduzierung von Konsum und Produktion.
- Effizienz: Ergiebiger Nutzen von Ressourcen.
- Konsistenz: Ressourcenkreisläufe, Müllvermeidung. (Quelle Wikipedia)
- Kleidung ist also nachhaltig, wenn sie weniger Ressourcen verbraucht als Alternativen. Z. B. Jeans nur gefärbt anstatt für künstliche Abnutzungen durch Sandbestrahlung behandelt. Dabei zählt die gesamte Produktionskette.
- Außerdem ist sie nachhaltig, wenn sie sehr lange existiert und viel genutzt wird.
- Zum Schluss muss sie recycelbar sein.
Bereits 2014, als ich nur Kleidung kaufen wollte, deren Näherinnen fair bezahlt wurden, entdeckte ich, dass Kleidung, die in Europa hergestellt wird, unter das EU-Recht fallen und damit umweltschonender sind, als die Herstellung in Entwicklungsländern (mit Ausnahmen). Wobei eine Bioproduktion einer konventionellen auch innerhalb der EU vorzuziehen ist, da deren Umweltstandards noch höher sind.
Seinen EIGENEN Stil finden, hilft Ressourcen sparen
Wenn man seinen Stil kennt, dann hilft es Fehlkäufe/Fehlnähprojekte zu vermeiden. Dabei ist es sehr wichtig, dass man ehrlich zu sich selbst ist und analysiert, was man wirklich trägt, anstatt eine Idealvorstellung von sich anzustreben. Wenn man z. B. lieber Jeans trägt als Kleider, dann macht es keinen Sinn, sich zehn Kleider in den Schrank zu hängen.
Um meinen Stil herauszufinden, hatte ich vor einigen Jahren das Buch „Das Kleiderschrank-Projekt“ durchgearbeitet. Am meisten hatte mir daraus der Tipp geholfen, ein bis zwei Wochen jeden Tag ein Foto von dem Look zu machen, den man an dem Tag für sich wählte.
Dadurch kamen meine klaren Favoriten zum Vorschein: Skinny-Jeans, weich fallende Blusen und Blazer. Gerne mag ich Stile brechen, z. B. den spießigen Faltenrock zu einem witzigen Sweatshirt oder den Satinrock zu einem Norwegerpulli. Außerdem fand ich heraus, dass ich lieber gedecktere Farben, die meinem Farbtyp entsprechen, bevorzuge. Um Kleidung länger tragen zu können, hatte ich schon immer extreme Modeerscheinungen gemieden und mehr auf klassische Teile gesetzt. Wenn ich ausgefallene Teile trug, dann welche, die nicht extrem einer Modedekade zuordenbar waren.
Bei Youtube aber auch auf dem Buchmarkt gibt es mittlerweile eine Menge Influencer, die den French-Chic thematisieren. Die Auseinandersetzung mit dem French-Chic hat mir geholfen, einen zeitlosen Stil zu finden, der zur Langlebigkeit meiner Kleidung beiträgt.
Analyse Kleiderschrank
Zwar kaufte ich nach 2014 immer nachhaltigere Kleidungsstücke z. B. Second-Hand, aber von Zeit zu Zeit griff ich auch wieder auf konventionelle Kleidung zurück. Anfang 2020 stellte ich fest, dass viele meiner Blusen, die erst zwei, drei Jahre alt waren, bereits verwaschen und in sich verzogen waren. Auch waren bei einigen die Ärmel eingelaufen. Das und die Tatsache, dass meine wenigen Teile, die ich im Sommer 2019 kaufte, bereits wie aus der Mülltonne gezogen aussahen, veranlasste mich dazu, Kleidung nur noch konsequent Second Hand oder Bio & Fair-Trade in hoher Qualität zu kaufen. Sie hält einmal länger und sie kann besser weiterverkauft werden, wenn sie nicht mehr passt.
Zwischen Weihnachten und Neujahr 2021 machte ich eine Kleiderschrank-Inventur, um zu sehen, wie gut ich mein Vorhaben, nur noch nachhaltige Kleidung zu konsumieren, bisher umgesetzt habe.
Unter den Kleidungsstücken, die jünger als 3 Jahre sind, befindet sich eine Wollstrickjacke eines Biolabels, die in Deutschland hergestellt und ein Seidenshirt, das in Italien gefertigt wurde. Der Rest ist der Sommerkleidungseinkauf aus 2019. Mein letzter konventioneller Einkauf, den ich machte, weil mir meine gesamte vorhandene Sommerbekleidung zu klein war. Meine zu kleine Kleidung hatte ich ans Sozialkaufhaus gegeben oder auf Vinted verkauft. Seit 2020 hatte ich mir neue Kleidung fast ausschließlich im Sozialkaufhaus oder bei Vinted gekauft. Einige Teile habe ich aus einem Second-Hand-Shop aus Aachen und von einer kommerziellen Online-Second-Hand-Plattform. Nur wenige Teile kaufte ich mir seither neu. Neue Kleidung kaufe ich nur, wenn ich gesuchte Teile nicht Second-Hand finde.
Analyse ungetragene Teile
Da Kleidung nur nachhaltig ist, wenn sie möglichst oft genutzt wird, analysierte ich die Teile, die ich bisher noch nicht getragen hatte. Diese Teile aus meinem Kleiderschrank hatte ich bisher noch nicht getragen:
- Fransenjacke 2019 gekauft und durch Corona noch nicht ausgeführt.
- Marlenehose aus dünner Viscose. Ein „Erbstück“ und ebenfalls durch Corona keine Gelegenheit zum Ausführen gehabt.
- Karierte Strickjacke, Second Hand, leider noch keine Kombi-Möglichkeit gefunden.
- Selbstgenähtes Sommerkleid für Freizeit und Urlaub, aber mangels Urlaub/Freizeit mit entsprechendem Wetter noch nicht getragen.
- Culotte, Second Hand, erst vor einigen Wochen eingezogen. Bisher war es zu kalt dafür.
- Selbstgenähter Rock, bisher war es noch zu kalt.
- Selbstgenähter Rock, bisher noch keine Gelegenheit dafür gefunden. Die entsprechenden Kombiteile sind mir inzwischen zu klein geworden 🙁
- Second-Hand-Kleid, erst vor kurzem abgeändert und bisher zu kalt gewesen.
- Top, bisher keine Kombimöglichkeiten gefunden.
Anhand der ungetragenen Teile kann ich sehen, dass ich im Moment hauptsächlich Kleidung nicht trage, die fürs Ausgehen konzipiert ist. Bei drei Teilen fehlt mir die Kombinationsmöglichkeit mit anderen Teilen und bei zwei Teilen (Culotte und rotes Kleid) weiß ich genau, dass ich sie tragen werde, sobald es das Wetter zulässt.
Weitere Kleidung in Fächern und Schubladen
In meinen Fächern und Schubladen liegen noch einige Jeans, Pullover, T-Shirts und meine Sport- und Couchkleidung. Bereits 2014, mit dem Fair-Trade-Projekt, hatte ich mir das ewige T-Shirt-Kaufen abgewöhnt. Damals gehörte ich noch zu den Käuferinnen, die im Zweifel ein T-Shirt kauften, bevor sie von einem Einkaufsbummel ohne etwas nach Hause gingen. Dabei trage ich T-Shirts fast nur in der Freizeit. Als ich das entdeckte, legte ich mir ein T-Shirt-Kaufverbot auf. Seit 2019 kaufte ich nur ein lustiges Second-Hand-Shirt bei Vinted, ein Fair-Trade-Andenken-Shirt aus Brüssel und zwei eher edle Varianten fürs Büro bei dem Sommerkleidungskauf 2019. Alle T-Shirts, die ich jetzt habe, werden regelmäßig getragen und sollen aufgetragen werden.
Meine Couchkleidung (Leggings mit Langarmshirt) habe ich zu großen Teilen selbst genäht. Nur drei Sweatshirts gehören dazu, die bereits über 10 Jahre alt sind. Alles wird äußerst häufig getragen.
Meine Sportkleidung besteht aus Altbestand, da sie sich größtenteils an meine Figur anpasst. Nur zwei Wanderhosen und eine Wanderjacke sind relativ neu, da mir die alte Kleidung nicht mehr passte. Da fand ich Second-Hand nichts Passendes. Meine Sportkleidung trage ich sehr häufig. Da gibt es keine ungenutzten Teile.
Meine Pullover bestehen ca. zu einem Drittel aus Second-Hand-Kleidung, zu einem Drittel ist sie älter als 3 Jahre und das letzte Drittel ist neuer. Zwei Pullover sind aus 2021, das waren konventionelle Käufe unterwegs, weil ich vergessen hatte Pullis mitzunehmen. Die restlichen konventionellen Käufe sind aus 2019, bevor ich mich dazu entschloss, nur noch Second-Hand oder Bio & Fair-Trade einzukaufen. Alle Pullis sind regelmäßig im Gebrauch.
Die Jeans sind, bis auf vier, alle jünger als 3 Jahre, da sie sich am wenigsten der Figur anpassten. Von den Neueren sind zwei Second-Hand, eine in Europa hergestellt und zwei konventionell. Es sind also insgesamt nur neun Jeans. Alle trage ich sehr häufig. Mehr dürften es auch nicht sein. Diese neun passen genau in meinen Wasch- und Tragerhythmus.
Schuhe und Jacken
Laut der Greenpeace-Umfrage soll sich gerade der Lebenszyklus von Schuhen in den letzten Jahren sehr verringert haben. Etwa jeder Achte soll seine Schuhe weniger als ein halbes Jahr tragen. Dazu gehöre ich definitiv nicht. Bereits seit ca. 20 Jahren lege ich ausgesprochen hohen Wert darauf, dass Schuhe gut passen. Dies korreliert häufig mit einer hohen Qualität. Seit 2014 achtete ich nochmal verstärkt auf die Qualität. Daher halten meine Schuhe recht lange. Zwischendrin habe ich zwar auch Fehlkäufe und merke erst nach mehrmaligem Tragen, dass mir die Schuhe nicht ganz so gut passen, aber dadurch, dass ich nur gutes Schuhwerk kaufe, kann ich Fehlkäufe sehr gut weiterverkaufen. Die meisten meiner Schuhe müssten aus Deutschland oder der EU sein (dadurch sind höhere Umweltstandards durch die EU-Richtlinien gewährleistet, als bei der Herstellung in Fernost). Nur einzelne Paare waren von einer Billigkette, die ich nicht mehr aufsuche.
Bei den Jacken gehe ich ähnlich vor. Ich weiß mittlerweile sehr gut, welche Art von Jacken für mich wirklich sinnvoll sind und diese werden in hoher Qualität gekauft und halten lange. Meine Jacken haben zum Glück meine Gewichtsschwankungen gut weggesteckt, so dass, bis auf eine, alle älter als drei Jahre sind. Zwei sind selbst genäht, zwei Second-Hand und der Rest konventionell.
Auch beim Nähen nachhaltiger handeln
Bei der Stoffauswahl und meinen Nähprojekten möchte ich mich ebenfalls nachhaltiger verhalten und auf gebrauchte oder Biostoffe aus Europa setzen. Mehr dazu hatte ich bereits hier geschrieben. Außerdem soll nur genäht werden, was später auch wirklich getragen wird.
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