Im Mai setzte ich mich ausgiebig mit der Anpassung eines Langarmshirts auseinander und lernte unglaublich viel über meinen Körper, das Maßnehmen und das Anwenden auf einen Schnitt. Es war nicht immer leicht und gerne hätte ich zwischendrin das Nähen aufgegeben. Mein Ziel war es, besser geschnittene Kleidung zu nähen und nicht den bisher schlechten Sitz, wie von der Stange, nur mit mehr Arbeit. Dies schien aber nur schwer erreichbar.
Im Juni hatte ich Urlaub. Das Wetter war großartig und lud zum Lesen auf der Wiese ein. Nachdem ich mich im Januar mit Büchern über die Erstellung eines Grundschnittes auseinandergesetzt hatte, merkte ich, dass es nicht das ist, was ich will. Ich möchte mir keine Schnitte komplett neu konstruieren, sondern vorhandene Schnitte auf meine Figur anpassen.
Auf der Suche nach Büchern, die Schnittanpassungen behandeln, bin ich auf drei gestoßen, die ich in meinem Urlaub fast komplett durcharbeitete:
- „Passt perfekt“ von Meike Rensch-Bergner erschienen im EMF-Verlag
- „Der große Fotoguide für die Perfekte Passform“ von Sarah Veblen erschienen im Stiebner Verlag
- „Die perfekte Passform“ von Joi Marhon erschienen im Stiebner-Verlag
Am Ende dachte ich tatsächlich über das Aufgeben nach. Gibt es kein Hobby mit weniger Aufwand? Irgendwas sammeln z. B.?
Etwas demotiviert änderte ich zunächst ein mit einer falschen Hohlkreuzanpassung verhunztes Oberteil ab. Da nicht mehr viel Spielraum war, ging eigentlich nur noch ein enganliegendes Top. Diesmal nahm ich den Schnitt eines vorhandenen Tops ab. Zwar merkte ich beim Auflegen des Kauf-Tops sofort, dass die Taille des Kauf-Tops viel zu tief lag, aber noch immer traute ich meinen Erkenntnissen nicht und nähte strikt nach Vorlage ohne Anpassungen. Zumal ich glaubte, dass es bei einem so eng anliegenden Top keinen Unterschied macht, wo die Taille genau liegt. Auch glaubte ich, dass sich die Lage der Taillenkurve beim Tragen verändert (sie zieht sich durch die Oberweite nach oben, aber dies wird beim Maß nehmen bereits berücksichtigt).
Bei der Anprobe hatte ich dann das Aha-Erlebnis: Die Richtige Lage der Taille trägt einen erheblichen Teil dazu bei, ob sich ein Shirt im Hohlkreuz wellt. Auch bei einem enganliegenden Top! Diese Tatsache hatte ich zwar bereits in meinem letzten Artikel über die Hohlkreuzanpassung mit erwähnt, da mein ursprüngliches Shirt aber weiter war, traf mich die Erkenntnis nicht ganz so massiv.
Original und Kopie Die falsche „Hohlkreuzanpassung“. Falscher Sitz an der Taille. Richtiger Sitz an der Taille (die Falten sind nur noch Zugfalten, weil das Top am Ende zu eng wurde).
Nach dieser Erkenntnis ging es etwas motivierter weiter. Ich wollte mir ein neues Sommertop mit einem Turtleneck nähen. Auf der Suche danach (ich gebe den Suchbegriff immer auf der Seite von burdastyle ein und schaue dann nach, ob ich das entsprechende Magazin habe), stieß ich nur auf Langarmoberteile. Am Ende wählte ich den Schnitt #113 aus der Burdastyle 11/2020.
Nachdem ich die Bücher durchgearbeitet hatte, war ich zunächst etwas ratlos, wie viel von dem Gelesenen ich wirklich anwenden muss. Muss ich wirklich, wie in dem Buch „Die perfekte Passform“, gefühlte hundert Maße nehmen und jeden Unterschritt ausmessen und anpassen? Oder gehe ich es eher etwas einfacher an, wie in dem Buch „Passt perfekt“ (allerdings auch darin die „falsche“ Hohlkreuzanpassung, die ich neulich sogar in einer alten Knip fand!).
Am Ende half es mir, dass ich bereits soviel an dem eher mäßigen Schnitt des Langarmshirts rumgebastelt hatte. An dem Shirt vom letzten MMM, dem pinken Top und meinen Weihnachtskleidern konnte ich vier strategische Punkte ausmachen, die ich auf jeden Fall bei einer Schnittmusteranpassung berücksichtigen sollte:
- Bei Burdaschnitten liege ich zwischen Gr. 42 und 44, da die Schnitte von Burda häufig weiter ausfallen, reicht mir oft Gr. 42.
- Breite der Schultern.
- Höhe der Taille.
- Hüftweite.
- Die Anpassung der Ärmellänge fiel weg, aber der Ärmelausschnitt musste geändert werden.
Somit beschränkte ich mich auf diese Punkte, wählte Gr. 42 und passte das Schnittmuster entsprechend an. Aus der gewählten Größe errechnete ich die Bequemlichkeitszugabe und passte alles im gleichen Verhältnis an. Bei der Schulteranpassung verkleinerte sich der Armausschnitt. Dadurch dass ich die Ärmel vom ursprünglichen Schnitt wegließ, war das gut, da man die Bewegungsweite an den Ärmeln bei Tops nicht braucht (s. dazu auch den Beitrag von Barbara). Des Weiteren änderte ich die Länge (allerdings hätte sie vorne laut Schnittmuster länger sein müssen, das korrigierte ich später beim Säumen). Da nicht mehr ausreichend Stoff da war (Reststück fester Jersey, 0,7 m von Der Stoff, Würselen), schnitt ich nicht den kompletten Umschlagkragen zu, sondern nur etwas Saumzugabe. Nun sieht man, ein wenig die innere Naht am Kragen.
Am Ende war ich von dem Sitz begeistert. Es passte auf Anhieb! Und saß viel besser als irgendeins meiner Kaufshirts! Zunächst hatte ich etwas Angst, ob das funktioniert: Einfach die kleinere Größe zu nehmen und anhand dessen die Mehrweite auszurechnen (Umfang am Schnittmuster durch den Brustpunkt abzüglich Umfang laut Maßtabelle) und diese auf meine Maße anzuwenden. Aber auch hier wurde mir etwas bewusst:
- Die Brustweite am Schnittmuster ist immer weiter, als das gemessene Maß an sich selbst, da es eine Mehrweite enthält. Also Oberweite zuzüglich irgendeiner Mehrweite. In dem Buch „Passt perfekt“ gab es dazu eine schöne Tabelle als Anhaltspunkt.
- Es ist egal welche Mehrweite man nimmt, aber das gesamte Schnittmuster muss dann einheitlich die gleiche Mehrweite haben. Es kommt auf die gesamte Harmonie des Kleidungsstückes an. Habe ich z. B. an der Oberweite 12 cm Mehrweite, aber an der Hüfte nur noch 5 cm, dann wird sich das Kleidungsstück nicht mehr überall gleich legen und es fällt unharmonisch, auch wenn ich theoretisch überall eine Bewegungsweite habe. (Außer der Schnitt gibt eine andere Form vor, s. dazu den Hinweis in den Kommentaren von Barbara.)
- Aus dem Buch „Die perfekte Passform“ erfuhr ich, dass es bei den vertikalen Maßen keine Bequemlichkeitszugaben gibt. Eine Länge ist eine Länge ist eine Länge. Also (richtig) gemessene Länge am Körper ist auch die Länge am Kleidungsstück (damit ist die Höhe meiner ausgemessenen Taille so anzuwenden, auch wenn es komisch aussieht etwas mal eben um 6,5 cm zu verlegen).
Und weil ich so verliebt in das Shirt war, trug ich es gestern sofort zur Arbeit und heute beim Me Made Mittwoch zur Modenschau der Selbstnäherinnen 🙂
Outtakes
Endlich wieder Tasche packen für den Nähunterricht 🙂 Oh, das Garn habe ich auch noch? Das passt doch perfekt 🙂 Ressourcenoptimierung Gegencheck Sitz Taille Nachdem der Knoten geplatzt war, nähte und änderte ich total viel. Zu dem Rock rechts wird noch einmal das gleiche Shirt aus dem Stoff links genäht.
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