Meinen letzten Beitrag schloss ich damit, dass eine gewöhnliche Hohlkreuzanpassung nicht immer funktioniert. Hier geht es nun weiter. Konnte ich bisher mein Hohlkreuz sehr gut ignorieren, wird es mir durch die Auseinandersetzung mit Schnittmusteranpassungen immer präsenter und ich kann nicht mehr über die Faltenwürfe bei meinen Kleidungsstücken im Rücken hinwegsehen. Hier schildere ich meine (Fehl-)Versuche, eine angemessene Hohlkreuzanpassung zu machen und zeige am Ende die Lösung. Wenn ich von „gewöhnlicher Hohlkreuzanpassung“ spreche, meine ich Anpassungen wie sie z. B. bei Nähen bei Olga und bei The Flying Needle (und vielen anderen!) erklärt werden.
Nachdem ich eine notwendige Anpassung im Hohlkreuz von 6 cm ermittelt hatte, passte ich das Schnittmuster erneut nach dem üblichen Verfahren an (Schnittmuster an der Taille auftrennen und einseitig zusammenschieben). Im Anschluss nähte ich ein Probemodell aus Nessel. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Hüfte war zu schmal geworden. Also besserte ich am Schnittmuster die Hüfte nach und nähte ein neues Probemodell, diesmal aus Jersey. Die Hüfte passte immer noch nicht richtig. Bei beiden Teilen waren außerdem Ausschnitt und Ärmellöcher unförmig geworden.
Nach weiteren Recherchen stieß ich auf den Beitrag von Pattern – Scissors – Cloth. Darin wird beschrieben, dass nicht nur die Taille zusammen geschoben, sondern auch der Ausschnitt und die Ärmellöcher nachgebessert werden müssen. Dies wird in den meisten Artikeln über Hohlkreuzanpassungen nicht erwähnt. Im Anschluss stieß ich auf den Beitrag von SBCC-Patterns. Sie beschreibt (leider nur in englisch), was der größte Fehler bei der Hohlkreuzanpassung ist. Anhand von grafischen Zeichnungen zeigt sie, wie die gewöhnliche Hohlkreuzanpassung alles andere im Schnittmuster beeinflusst.
Ihr Resümee ist, dass ein glattes Stück Stoff am Rücken immer ein glattes Stück Stoff am Rücken bleiben und sich nie ganz der Körperform anpassen wird, daher sei es normal, wenn sich das Rückenteil nicht in das Hohlkreuz legt. Sie sieht deshalb das Problem, warum sich eine Wurst im Hohlkreuz bildet, nicht darin, dass am Rücken zu viel Stoff ist, sondern an der Hüfte zu wenig. Und zwar fast immer. Wenn Stoff irgendwo zu wenig Platz hat, dann wandert er so lange, bis es irgendwo mehr Platz findet. Viele kennen das Phänomen über der Oberweite, so wie hier bei einem zu eng gewordenen Shirt von mir.
Deshalb widerspricht sie den gewöhnlichen Änderungsmaßnahmen im Hohlkreuz. Übersetzt: „Warum soll man irgendwo Weite wegnehmen, wenn das Problem in der Enge liegt?“
Ganz rät sie von der gewöhnlichen Methode der Hohlkreuzanpassung nicht ab, empfiehlt sie aber nur bei maximal rund 1 cm Abweichung. Bei sehr starkem Hohlkreuz empfiehlt sie Abnäher, wenn man ein Kleidungsstück haben möchte, dass sich dem Körper anpasst.
Nachdem ich den Beitrag von SBCC-Patterns gelesen hatte, sah ich plötzlich die ganzen Bilder von Würsten in Hohlkreuzen im Internet ganz anders. Oft waren die Shirts nämlich tatsächlich an der Hüfte zu eng. Oder die Taille saß nicht richtig. Als ich danach mein Probeteil noch einmal durchmaß, wurde deutlich, dass auch bei mir die Hüfte viel zu schmal war. Nachdem ich die Naht an der Hüfte meines Probeteils auftrennte, legte es sich gleich ganz anders.
Nach diesen Erkenntnissen ging ich noch einmal ganz auf Anfang, pauste den Schnitt erneut ab. Diesmal in Gr. 38 anstatt Gr. 42! Maß alles durch und nahm ganz andere Änderungen vor. Gr. 38 wählte ich, weil ich bemerkt hatte, dass ich mich bei meinen bisherigen Teilen (Sweatshirt, Basicshirts Teil I, Basicshirts Teil II) an der Schulter vermessen hatte. Meine Schulter und auch meine Rückenbreite entsprechen der Gr. 38, daher schlackerte immer alles an den Armen. Dann setzte ich die Taille runter und verbreiterte sie. Als nächstes verbreiterte ich die Hüfte. Zum Schluss fertigte ich eine FBA an. Allerdings konnte ich die benötigte Verbreiterung nicht anhand der üblichen Formel
(Brustweite ./. Oberbrustweite) : 2 = benötigte Weite auf halbem Schnittteil
berechnen, da ich sie nicht aufgrund einer zu großen Körbchengröße machte, sondern weil ich wegen der Schulter und dem Rücken eine kleinere Nummer wählte. Bei mir wäre ein negatives Ergebnis rausgekommen. Alternativ errechnete ich die Weite, die ich auf Brusthöhe brauchte und schob das Schnittmuster soweit auseinander, bis ich die errechnete Weite hatte.
Dann ging es an den Zuschnitt und das Nähen. Leider wählte ich keinen so besonders tollen Stoff für das neue Shirt. Es ist dünner, sehr elastischer Viscosejersey. Der leierte wie blöde. Mir war es nicht mal gelungen, den Bund gerade zuzuschneiden. Aber das Ergebnis war eindeutig. Keine Wurst mehr im Rücken! Ansonsten sitzt es immer noch sehr weit, aber das gibt das Schnittmuster so her. Deshalb gefällt mir der Schnitt immer noch nicht, aber ich brauchte die Vergleichbarkeit.
Hier noch einmal die drei Shirts im direkten Vergleich:
Alle drei Shirts basieren auf dem Schnitt #118 aus der Burda Style 02/2019 und so sieht das Original aus (wie man sieht, wird die Weite durch die verschränkten Arme des Models kaschiert).
Und weil mich die Erkenntnis so verblüffte, nahm ich an meinem Anker-Sweatshirt auch noch Änderungen vor. Einmal änderte ich doch die Ärmel, da sie mir auf Dauer zu lang waren. Außerdem änderte ich die Länge, damit sich das Shirt nicht mehr in das Hohlkreuz legt, da ich an der Hüftweite nichts mehr ändern konnte. Nach der Änderung saß auch das Sweatshirt ohne Falten im Rücken!
Fazit
Um keine „Würste“ im Rücken zu haben, brauche ich keine Hohlkreuzanpassung, sondern genügend Weite an der Hüfte. Eine gut angepasste Taille hilft zusätzlich, das Stoffkrabbeln zu verhindern. Schnitte, die auf Hüfthöhe eine Enge haben, z. B. Bündchen am Sweatshirt, sind für mich ungünstig, da sie die Stoffwanderung in das Hohlkreuz begünstigen. Solche Schnitte sind für mich kürzer oder oversized besser. Auf jeden Fall sollten Schnitte, die nach unten hin enger werden, nicht genau auf der Hüfte enden.
Outtakes
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