Fazit: Ein Jahr lang faire Kleidung

Fakt ist: So einfach, wie mein Projekt „Ein Jahr lang keine Billig-Online-Anbieter“, war dieses Projekt nicht. Der Anteil an fairer Kleidung wird in der Branche auf unter 1% geschätzt und entsprechend sieht der Markt auch aus. Es gibt viele Nischenanbieter auf dem Online-Markt, die man aber teilweise nur über Umwege finden kann. Deren Angebot beschränkt sich hauptsächlich auf Fair-Trade-Shirts, ein paar Wolljacken und Jeans. Zusätzlich gibt es noch einige (sicherlich sehr gute) Anbieter von Sportbekleidung und sehr hochpreisigen Bekleidungsartikeln, die in Deutschland oder in den europäischen Nachbarländern (den EU-15) herstellen. Und das war es schon.

Sucht man diese Artikel in den Geschäften vor Ort, wird es noch problematischer. In Aachen gibt es z. B. kein einziges Bekleidungsgeschäft, das ausschließlich faire Bekleidung im vollen Umfang anbietet (also das gesamte Sortiment angefangen bei der Unterhose bis zum Mantel). Wer sich ausschließlich fair kleiden will, muss eine Menge Zeit aufwenden, das Internet durchsuchen und auch vor Ort intensive Recherchen über Marken und deren Herstellungswege durchführen. Diese Recherchen werden häufig durch suggestive Werbeslogan, unklare Firmenphilosophien und Verschleierung der Produktionswege erschwert. Nur ein einziger Anbieter machte sich die Mühe, die Prozesskette vollständig für den Kunden nachvollziehbar darzustellen. Bei allen anderen Anbietern musste man mehr oder weniger auf Floskeln und Zertifizierungen vertrauen. Diese Zertifizierungen wurden oft nur für ein oder zwei Produkte des Anbieters vergeben bzw. nur für einzelne Teile der Produktionskette eines Bekleidungsstückes und der Rest des Sortiments wurde klassisch in Fernost unter nicht fairen Bedingungen genäht.

Ganz schlimm sind in diesem Zusammenhang die Corporate Social Responsibilitys (CSR = Soziale Unternehemensverantwortung). Dies sind Auflagen, die sich Firmen selbst auflegen, die allerdings überhaupt nicht kontrolliert werden. Diese täuschen dem Verbraucher vor, dass nun alles besser wird, was leider oft nicht zutrifft. Dabei will der Verbraucher faire Arbeitsbedingungen. Als der Bericht über die unfairen Arbeitsverhältnisse von Amazon veröffentlicht wurde, sanken im Anschluss die Umsätze in den Keller. Der Verbraucher hat damit ein Zeichen gesetzt. Bei der Kleidung würde er das ebenfalls gerne tun, weiß aber nicht, wo er ansetzen soll. Viele versuchen auf Mode aus den europäischen Mitgliedsstaaten auszuweichen, weil sie sich dort bessere Arbeitsbedingen erhoffen. Dies hilft leider nicht viel, da es auch in Europa Menschen gibt, die unter widrigen Umständen Kleidung herstellen müssen.

Aber warum ist Kleidung so wichtig in unserer westlichen Welt? Warum verzichten wir nicht einfach ein Jahr lang auf den Kauf von Kleidung und stellen ganz deutlich die Forderung, dass wir nur noch faire Kleidung in den Läden haben wollen? Als EHEC durch die Presse ging, fiel innerhalb von Tagen der Gurkenpreis auf unter 10 Cent, weil keiner mehr Gurken kaufte. Als Dioxin in den Eiern auftauchte, kaufte keiner mehr Eier und zuletzt das Beispiel von Amazon, bei dem die Verbraucher Amazon in die Knie und die Umsätze in den Keller zwangen. Warum ist das bei Kleidung so schwierig?

Zunächst einmal ist die Nutzung von unfairer Kleidung nicht existenziell für den Träger, somit bleibt die panische Reaktion, wie z. B. bei EHEC aus. Trotzdem gibt es noch das Beispiel Amazon. Oder auch Nokia. Als Nokia das Werk in Bochum schloss und bekannt wurde, dass Nokia zuvor deutsche Subventionen für den Erhalt des Werkes erhalten hatte, brach der Umsatz in Deutschland ein (leider sind internationale Unternehmen gegen lokale Boykotts gut abgesichert, da in anderen Ländern die Umsätze nicht zwangsläufig mit sinken). Aber auch hier geht es um eine persönliche Komponente, nämlich den Erhalt von gut bezahlten, hochwertigen Arbeitsplätzen in Deutschland bzw. dem Ausschalten der Konkurrenz von billigen, ausbeuterischen Arbeitsplätzen vor Ort. Die Boykottierung von bestimmten Marken scheint also immer eine äußerst persönliche Komponente mit sich zu tragen, es muss also das eigene Leben oder mindestens der Arbeitsplatz im eigenen Land daran hängen.

Ein anderes Beispiel ist der Boykott gegen den Modekonzern Abercrombie & Fitch (A&F). Der Konzernchef sprach das aus, was viele Designer nur denken: „Wir wollen unsere Sachen nur an gutaussehende, coole Menschen vermarkten und an niemand anderen.“ Das bedeutet in diesem Fall, Frauen nur bis L = Gr. 38 (für Männer ist XXXL kein Problem). Und genau diese Aussage löste einen Shitstorm gegen den Konzernchef aus, ein Protestvideo umkreiste die Welt und Teenager protestierten in Fußgängerzonen. Dadurch sank der Umsatz der Marke, für die Kids vorher zu hunderten vor den Läden anstanden, plötzlich in den Keller (inzwischen schließen einige Filialen in Deutschland). Hier ging es allerdings nicht um heimische Arbeitsplätze oder das eigene Leben, sondern um das Image einer Marke.

Nichts prägt das eigene Image mehr, als Kleidung. Und weil das so ist, kann sich kaum einer der Mode entziehen. Sicherlich gibt es immer Menschen, die mehr auf ihr Image achten, als andere, aber auch kein Image zu haben, kann ein Image sein und die entsprechende Kleidung dazu zelibrieren (z. B. Punk oder Gothik). A&F trafen lange Zeit den Nerv der Jugend und plötzlich nicht mehr. Imagekampagnen sind auch immer ein sensibles Thema und oft fragt man sich, was war zuerst da: Der Nerv der Zeit, der von gewieften Marketingspezialisten aufgegriffen wurde oder schufen diese Spezialisten eine Welt, die gut bei den Kunden ankam? Vermutlich stimmt beides und es bedingt sich permanent gegenseitig, immer solange, bis plötzlich etwas kippt, wie in dem Fall von A&F (Skandalaufdeckungen bei Primark oder H&M haben diesen Unternehmen häufig kaum etwas an, da sie nicht das Image der Träger betreffen und diese Unternehmen über den Preis eine große Macht ausüben). Diese Parallelwelten zeigen uns, wie abhängig wir oft von unserem Image sind, dass wir durch Kleidung präsentieren. Und da ist es uns oft egal, wie die Sachen hergestellt wurden. Der Mensch strebt nach Prestige und Anerkennung in seiner Gruppe und dazu gehört eine Kleidung, die von dieser akzeptiert und anerkannt wird. Das berufliche Umfeld und ein (nicht immer offizieller) Bekleidungskodex sind ein gutes Beispiel für Kleidung, die in einem gesellschaftlichen Rahmen akzeptiert wird oder nicht.

Hier prallen nun zwei Dinge aufeinander: Einmal die sozialen Verknüpfungen, die nicht so leicht zu sprengen sind, mit einer Marktpolitik, die nur auf ihren eigenen Profit aus ist. In einer Talkshow zum Thema eingestürzte Fabriken in Bangladesch sagte ein Talkgast (dessen Namen ich leider vergessen habe): „Man kann nicht nur die Verbraucher schuldig sprechen an den Unglücken, es wird Zeit, dass auch die Firmen mehr in die Verantwortung genommen werden.“

Im Laufe meines Projektes kam mir immer wieder der Gedanke an alte Ständegesellschaften in den Sinn. Nachdem ich ein Jahr lang versucht hatte, faire Kleidung zu kaufen, musste ich offen zugegen: Ja, das ist teurer, oft wesentlich teurer, als wenn man im Textil-Discounter einkaufen geht. Und wenn ich mich dann mit unserer Putzfrau unterhalte und sie erzählt mir stolz von ihrem Einkauf bei einem Textil-Discounter und dass es ihr wichtig ist, nicht wie eine „Putzfrau“ auszusehen, was soll ich ihr von fairer Kleidung erzählen? Ich weiß, dass sie sich das bisschen, was sie sich kauft, kaum leisten kann. Auch ein weiterer Mensch in meinem Umfeld geht zu Textil-Discountern, egal was in der Presse darüber berichtet wird, weil dieser Mensch darauf angewiesen ist, sich Schuhe für 5 Euro kaufen zu können. Ja, es gibt Menschen, die sind auf Textil-Discounter angewiesen. Und da ist kein Boykott zu erwarten, denen geht es selber dreckig. Und ich glaube, dass da mehr zu gehören, als wir zu träumen wagen. Diesen Menschen kann man nicht die Verantwortung für die schlechten Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern geben. Positiv ist diesen Menschen allerdings anzurechnen, dass sie viel weniger Kleidung kaufen, diese wesentlich länger tragen und außerdem häufiger Second-Hand-Kleidung kaufen. Sie sind damit nicht die Hauptakteuren der Modeindustrie.

Dann gibt es die Mittelschicht, die könnte sich faire Kleidung leisten, wenn sie im Gegenzug auf andere Dinge verzichten bzw. den Kleidungseinkauf in der Menge einschränken würde. Diese Menschen sind zumindest finanziell in der Lage, ihre Kaufgewohnheiten umzustellen, um ein Zeichen zu setzen. Und genau dies wollte ich tun und habe mich dazu entschlossen, es auch weiterhin zu tun. Sicherlich bin ich nicht so konsequent wie andere, aber durch dieses Projekt sind meine Sinne geschärft worden und ich konnte schon einiges umstellen (was berichtete ich bereits hier). Und auch wenn meine Einleitung etwas frustriert klingt (und ich es auch oft war), so habe ich für mich herausgefunden, was auf jeden Fall geht und was ich auf jeden Fall in 2015 konsequent umsetzen möchte:

  1. Alle Kosmetika nur noch aus Bio-Produkten!
  2. Alle Unterwäsche und Basic-Shirts konsequent Fair Trade!
  3. Bei allen anderen Einkäufen gehe ich die Tabelle durch und versuche möglichst weit oben zu bleiben.
  4. Ich meide weiterhin alle Textil-Discounter und kaufe nur hochwertige Sachen, von denen ich weiß, dass ich sie wirklich trage (also keine Fehlkäufe mehr [ich weiß das geht!!!] und nicht mehr zentnerschweren Tüten aus Billigläden schleppen).

Und am Ende tue ich das auch für mich. Faire Kleidung fühlt sich einfach besser an. Versucht es einfach. Selbst wenn jeder pro Jahr nur ein einziges Kleidungsstück aus fairer Entlohnung kauft, kann das für bessere Bedingungen in den Dritte Welt Ländern sorgen.

ONLY ONE!

Dieser Artikel ist Teil meines Projektes „One Year fair Clothes„. Das heißt, dass ich versuche, ein Jahr nur Kleidung zu kaufen, deren Hersteller fair entlohnt werden. Dafür recherchiere ich über das Thema und verblogge meine Ergebnisse hier. Genaueres habe ich in diesem Artikel beschrieben.

Die Quellennennungen können als Werbung gedeutet werden, sind aber unbezahlt und ohne Beziehungen zur Quelle. Demnach kann der Artikel im redaktionellen Sinne völlig frei gestaltet und sowohl positive als auch negative Äußerungen über das Produkt beinhalten (mehr dazu siehe hier).

Titelfoto by Nick Fewings on Unsplash


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