Sales Fair Clothes

Misserfolge während des Saison-Sales im Projekt „One Year fair Trade“

Geht man dieser Zeiten in die Innenstadt, was ich jeden Tag zwangsläufig tue, da ich dort umsteigen muss, kommt man an Sale-Schildern nicht vorbei. 20, 30, 50, oft sogar 70% auf die Sommerware. Die Läden sind umgeräumt. War vorher alles nach Kombinationen arrangiert, so dass einem der 50-Euro-Schal zum 20 Euro-T-Shirt schmackhaft gemacht wurde, hängt jetzt alles in endlosen Reihen wild durcheinander. Hauptsache es hängt überall ein Sale-Schild dran und das Belohnungssystem im Gehirn fängt an zu hecheln (wie das funktioniert ist hier eindrucksvoll geschildert).

Und da sind wir bei dem Problem: Mein Belohnungssystem ist seit Kindesbeinen auf Sales konditioniert (früher Sommer- und Winterschlussverkauf). Die ersten zwei Wochen konnte ich noch gut widerstehen, aber dann kam der Absturz. Zunächst kaufte ich noch „Made in Italy oder Portugal“, dann wanderten doch einige Shirts aus China in die Einkaufstüten. Es ist echt verflixt mit diesem Belohnungssystem, dass sich an Schnäppchen besäuft.

Alternativ hätte ich im Internet den Summer-Sale bei einigen fairen Händlern nutzen können, aber ich hatte für mich bemerkt, dass Klamottenkauf via Internet nichts für mich ist. Ich kaufe Laptops, Handys, Bücher und alles mögliche andere im Internet, aber bei Kleidung bin ich davon abgekommen. Es gab eine Zeit, da habe ich auch Kleidung im Internet gekauft, aber nachdem ich häufig vieles wieder zurücksenden musste, war ich es leid. Durch mein Anti-Amazon-Projekt war ich, nicht nur bei Büchern, dazu übergegangen, lieber bei kleinen Einzelhändlern vor Ort zu kaufen, anstatt mein Geld großen Ketten in den Rachen zu werfen.

Nun stand ich vor diesem Summer-Sale und mein Inneres schrie: Kaufen, kaufen, kaufen. Was sollte ich tun? Das Projekt über Bord werfen und dem hemmungslos nachgehen? Auf das Einkaufserlebnis ganz verzichten für die Unterdrückten dieser Welt?* Oder gab es noch eine Alternative? Ich entschied mich dafür eine kleine Ausnahme zu machen, das Projekt aber trotzdem nicht ganz in die Tonne zu kloppen, zumal ich es insgesamt als sehr erfolgreich betrachte, auch wenn ich es nicht immer zu 100% umsetzte.

*Edit 2021: Inzwischen würde ich viel eher auf das Einkaufserlebnis verzichten, da mir klar geworden ist, wie asozial es ist, für seinen eigenen Lustgewinn (shoppen), nicht auf faire Standards zu achten.

Was hat sich inzwischen geändert? 

Zunächst einmal fing ich an, konsequent Bio-Kosmetika zu kaufen. Damit meine ich echte Bio-Kosmetika und nicht die durch ein paar Kräuteressenz aufgehübschte Naturkosmetik (der genaue Unterschied wird hier erläutert, ein Bericht über Microplastik in Kosmetika findet ihr hier). Ausgelöst wurde dies durch das Lesen eines Buches, in dem ich mich über Fair Trade informierte.

Bio-Kosmetika sind zwar nicht ganz billig. Eine Handcreme kostet schon mal 6 Euro und eine Bodylotion 11 Euro, aber ich war begeistert von ihrer Wirkungsweise. Vorher hatte ich Lotionen, die ich mühsam über den Körper verteilen und lange warten musste, bis sie endlich einzogen, um am Abend festzustellen, dass die Haut genauso schuppig war wie vorher. Nun hatte ich endlich eine Body-Lotion gefunden, die schnell einzog und auch zu einer echten Hautverbesserung beitrug.

Nach dem Erlebnis hatte ich alle anderen Cremes auf Erdöl-Basis zur Schadstoffentsorgung gegeben (Schadstoffentsorgung hat in dem Zusammenhang auch etwas Symbolisches). Gleiches tat ich mit den Haushaltsreinigern auf Microplastik-Basis und stellte auf Bio-Produkte um. Und unsere vier Wände sind nicht dreckiger als vorher. Auch unsere Waschmittel stellten wir alle auf Bio-Waschmittel um, wenn möglich mit Papp-Verpackung.

In Folge der Umstellung auf Bio-Kosmetika, wählten wir beim Lebensmittel-Einkauf auch immer häufiger die Bio- und/oder Fair-Trade-Artikel und/oder regionale Produkte. Auch unseren Tee kaufte ich nun Fair-Trade. Für meine Firma versuche ich auch auf Fair-Trade-Tee umzustellen. Das wird allerdings etwas schwieriger, da dort das Bewusstsein dafür sehr gering ist und die Bereitschaft den Mehrpreis zu bezahlen ebenfalls. Deshalb besorge ich oft Fair-Trade-Tee aus eigener Tasche und hoffe, dass das auffällt und sich der Einkauf irgendwann daran orientiert.

Und was änderte sich beim Klamottenkauf?

Zunächst kaufte ich insgesamt wesentlich weniger, als in einem Vergleichsjahr ohne Fair-Trade-Projekt. Mir ist wesentlich bewusster geworden, dass die Herstellung z. B. eines Baumwoll-T-Shirts

  • eine Menge Trinkwasser verschwendet,
  • die Pflücker unfair behandelt werden,
  • die Färbung die Umwelt verschmutzt,
  • die Näherinnen dies unter widrigen Bedingungen zusammen nähen,
  • sie vom Lohn nicht leben können,
  • aus dem Zuschnitt noch mal Abfall entsteht (Schnittreste und Staub),
  • das T-Shirt häufig noch voller Chemie hängt, so dass die Container mit Schutzkleidung entladen werden müssen
  • und dies für die Verkäuferinnen am Ende der Handelskette nicht gesundheitsfördernd ist,
  • ganz zu schweigen vom Kunden, der dies am Ende trägt.

Bis zu fünf Wäschen soll ein T-Shirt brauchen, damit alle Gifte raus sind. Theoretisch müsste es also erst einmal fünf Mal gewaschen werden (was auch wieder die Umwelt belastet), bis es giftfrei ist. Ich trug Kleidung nach dem Kauf häufig ungewaschen und nur wenige Male, da ich wieder neue kaufte. Vielleicht habe ich daher meine Allergien? Denkbar wäre es.

Ich trage Kleidung inzwischen bewusster und vor allem trage ich sie! Ich gehöre noch zu der Generation, die Kleidung „für gut“ hatte und Alltagskleidung. Dies machte früher Sinn, da Kleidung teuer war und geschont werden musste. Allerdings wechselte die Mode nicht annähernd so schnell wie heute, so dass die Kleidung „für gut“ ebenfalls sehr lange getragen wurde. Diese Erziehung führte bei mir dazu, dass mein halber Kleiderschrank voller Sachen war, die ich nicht trug, weil sie „für gut“ waren und die andere Hälfte aus billigen Shirts und Jeans mit kurzer Haltbarkeit bestand.

Jetzt habe ich mich von Vielem getrennt und trage jeden Tag „für gut“ und baue keine „Alltagskleidung“ aus Billiglabels mehr auf. Das kostete am Anfang Überwindung, aber mein Mann sagte mir, ich wäre besser gekleidet als jemals zuvor. Komplimente helfen 🙂 Natürlich gibt es noch zwei Schubladen mit Kleidung, die für den Sport oder die Couch gedacht sind, aber diese Schubladen werden nur durch „abgelegte“ Kleidung bestückt und nicht durch Billigkäufe.

Wenn ich kaufe, dann weniger und qualitativ hochwertig und (wenn möglich) aus den EU15-Ländern (alte EU ohne Osterweiterung) oder fair Trade. Auch wenn ich jetzt beim Summer-Sale mit den Shirts eine Ausnahme machte, so achtete ich darauf, dass sie perfekt saßen, qualitativ hochwertig und mit meinen übrigen Klamotten kombinierbar waren.

Einmal nahm ich sogar eine Hose von mir zum Einkaufen mit, zog sie in der Umkleidekabine zu dem ausgesuchten Shirt an und kaufte es nur, weil es 100%ig zu der Hose passte. Auch ließ ich mir einmal Schuhe zurücklegen und kam am nächsten Tag mit der Hose wieder, zu der ich die Schuhe anziehen wollte.

Natürlich kosten die Sachen, die ich jetzt kaufe, mehr, als früher, als ich noch regelmäßig bei den Modediscountern kaufte. In Folge dessen muss ich mich weiter dazu zwingen, die neuen Sachen anzuziehen und nicht nur „für gut“ zurückzulegen (was nie eher kam, bis die Sachen entweder nicht mehr passten oder unmodern waren). Wie oft hatte ich ein Teil überhaupt nicht getragen und musste es weggeben, weil es nicht mehr passte? Verschwendete Ressourcen!

Nun versuche ich nicht mehr jedem Trend hinterher zu rennen. Der Vorteil am Älterwerden ist, dass man weiß (bzw. wissen sollte) was einem steht und was nicht. Wenn ich nicht auf Keilabsätzen laufen kann, dann kann ich das auch nach dem dritten Paar nicht. Egal wie modern sie gerade sind und wie sehr mir andere darin gefallen. Und wenn mich eine Tunika schwanger aussehen lässt, dann tut es auch die fünfte, auch wenn sie nur fünf Euro kostet und die Farbe so schön ist.

Außerdem schaute ich in viele Boutiquen rein, die ich sonst nur von außen wahrnahm. Ebenfalls durch ein Buch angeregt, wurde mir bewusst, dass es unheimlich wichtig ist, dass der örtliche Einzelhandel unterstützt wird, da dieser häufig zur inländischen Einkommenssteuer beiträgt (bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften), die höher ausfallen kann, als die Besteuerung von Kapitalgesellschaften. Denn Konzerne können ihre Gewinne mit den Verlusten aus dem Ausland verrechnen und kommen dadurch häufig in ein Minus, so dass sie gar keine inländischen Steuern bezahlen (hier das Beispiel Esprit aus dem Jahre 2013 GJ 2012, das obwohl Europa den meisten Umsatz lieferte durch den Aufbau des Marktes in Asien und den Rückbau des Marktes in Nordamerika einen Verlust fuhr und damit keine Steuern zahlte). Interessanter Weise fand ich in diesen Boutiquen häufig auch Labels aus Europa.

Also alles in allem doch ein guter Verlauf. Gewohnheiten brauchen ihre Zeit, bis sie sich verändern, aber erste Schritte sind getan. Und trotz Rückfall will ich das Projekt nicht als verloren ansehen. Beim Amazon-Projekt hatte ich gesehen, dass die Laufzeit von einem Jahr zu einer langfristigen Kaufveränderung beitrug. Und das muss ich sagen: Das Amazon-Projekt war ein echter Klacks gegen das Fair-Trade-Projekt! Ich bin froh um jede Kleinigkeit, die ich ändern und unkompliziert in den Alltag einbauen kann.

P.S.: Hier sind noch mehr Tipps für den Kleidungskauf von Utopia (Verband für den globalen Turnaround).

Dieser Artikel ist Teil meines Projektes „One Year fair Clothes„. Das heißt, dass ich versuche, ein Jahr nur Kleidung zu kaufen, deren Hersteller fair entlohnt werden. Dafür recherchiere ich über das Thema und verblogge meine Ergebnisse hier. Genaueres habe ich in diesem Artikel beschrieben.


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