Wir haben einfach zu viel Kram. Jeder Deutsche besitzt im Durchschnitt 10.000 Dinge. Dabei wird die Sehnsucht nach wenigen Dingen immer größer. Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr ein Hotelzimmer betretet und eine klare Ordnung empfängt euch. Keine Dinge, um die ihr euch kümmern müsst? Eine Minimalistin sagte, dass sie gerne jeden Raum betreten möchte, ohne dass ihr ein To-Do entgegenspringt. Da würde ich auch gerne hin. Deshalb hatte ich diese Woche zum Aussortieren genutzt.
Weggeben anstatt Verkaufen
Die meisten Entrümplungsratgebern sagen, dass man mit seinen aussortierten Sachen noch Geld machen kann. Früher verfolgte ich diesen Plan. Dafür nutzte ich alle möglichen Plattformen: Amazon-Market, Ebay, Booklooker, Flohmarkt, Kleidermarkt, Second-Hand-Läden, Kleiderkreisel, Facebook-Trödel-Groups, Kalaydo, markt.de, ebay-kleinanzeigen u. v. m. Heute weiß ich, dass außer bei den Groups und Kleinanzeigen, hauptsächlich die anderen Geld verdienen und man selbst verschwendet jede Menge Zeit mit kommunizieren, verpacken, auf dem Postamt rumstehen, Verpackungsmaterial besorgen (auch nicht immer einfach) und und und. Kein einfacher Job!
Dazu kommt, dass für fast alles die Preise absolut im Keller sind. Bücher sind z. B. nur verkäuflich, wenn es gute Fachbücher oder topaktuelle Bestseller sind. Topaktuell sind nur Bücher maximal ein Jahr nach Neuerscheinung! Je älter das Buch wird, je weiter sinkt sein Preis. Am Ende bekommt man für ein Buch nicht mal einen Euro und hat dafür jede Menge Arbeit. Oft ist dann das Verpackungsmaterial mehr wert, als das Buch selbst.
Auch Kleidung lässt sich nur verkaufen, wenn sie der aktuellen Saison entspricht, also maximal ein bis zwei Jahre alt ist und die Läden gerade kein Sale haben. Oder sie ist von einer teuren Marke oder einem bekannten Designer. Alles andere kann in den Altkleidersack, weil nahezu unverkäuflich.
Ich bin inzwischen dazu über gegangen, die meisten Sachen wegzugeben. Meine Bücher kommen entweder als Spende zur Bücherei oder zu einer wohltätigen Organisation oder in die Bücherschränke. Dabei spende ich auch die noch aktuellen Bücher, sonst tut man den Organisationen keinen Gefallen.
Porzellan und Gläser sind nahezu unverkäuflich. Das stelle ich in einer Kiste an die Straße. Dadurch, dass hier viele Studenten leben, gibt es dafür Abnehmer. Das, was übrig bleibt (das ist zum Glück nur sehr wenig), fliegt in den Müll.
Kleidung geht in den Altkleidercontainer. Dabei achte ich darauf, dass es Container sind, aus denen die Kleidung wirklich wohltätigen Zwecken zugeführt wird. Dies sind hauptsächlich Container von Wabe e. V. Das ist eine Einrichtung, die Menschen Beschäftigung bietet, die keine auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Diese Menschen bereiten die Kleidung auf und verkaufen sie in einem Sozialkaufhaus und einem sehr schicken Second-Hand-Laden.
Auch gibt es ab und zu Aufrufe von gemeinnützigen Organisationen, die Kleidung für spezielle Projekte (z. B. Flüchtlingshilfe, Erdbebenopfer) suchen. Oder ich gebe die Kleidung in Kleiderläden und Sozialkaufhäuser ab, die gute Kleidung weiter verkaufen. Die allermeisten anderen Container sind wild aufgestellt und dienen nur einem gewerblichen Zweck. Auch die Kleidung aus Containern von vielen gemeinnützigen Organisationen werden häufig sofort an Verwerter verkauft und sorgen dafür, dass es den Menschen in der dritten Welt noch schlechter geht (s. dazu z. B. diesen Artikel aus der ZEIT). Aus nicht mehr tragbarer Kleidung mache ich Putzlappen. Damit sich die Kleidung gut weiterverkaufen lässt, achte ich bereits beim Kauf auf hohe Qualität, die länger hält und deren Stoffe sich bei Verschleiß ggf. noch recyceln lassen. [So geht richtige Entsorgung von kaputter Kleidung und Stoffresten – utopia]
Wie entscheiden?
Wir stellten ca. 5 Jahre Bilderrahmen ständig von links nach rechts und wieder zurück. Erst lagen sie auf dem Schrank, bis mir mal einer entgegen kam, dann standen sie hinter der einen Tür, dann hinter einer anderen usw. Nachdem mir einer umfiel und die Mikroscherben durch die ganze Wohnung flogen, habe ich die restlichen kurzerhand an die Straße gestellt. Das kann doch nicht wahr sein, dass ich fünf Jahre beim Staubsaugen gegen Bilderrahmen stoße, die keiner mehr haben möchte?
Dazu fällt mir ein schönes Zitat ein, dass ich in einem Einrichtungsbuch gefunden hatte:
„Habe nichts in deinem Haus, von dem Du nicht glaubst, dass es nützlich oder schön ist.“ (William Morris, britischer Maler, Designer und Schriftsteller, 1834 – 1896)
Seit ich diesen Satz gelesen hatte, frage ich mich immer, wenn ich etwas in der Hand halte: „Finde ich es schön? Brauche ich es wirklich?“
Nun weiß ich, dass es viele Menschen gibt, die die Frage „Brauche ich es wirklich?“ immer mit „Ja!“ beantworten können. Zum Glück gehöre ich nicht dazu. Denn wenn ich diesen Satz noch weiter einschränke z. B. in „Habe ich es das letzte Jahr gebraucht?“ dann wird mir bei vielen Sachen schnell klar, dass ich es wirklich nicht mehr brauche. Ein Jahr ist ein kompletter Zyklus mit Sommer und Winter, mit Schnee und Sonne, mit Festen und Alltag, mit Grillen und Weihnachtsbaum. Ein Jahr ist ein sicherer Indikator dafür, ob man etwas wirklich braucht.
Nun gut, wenn man im letzten Jahr keinen Campingurlaub gemacht hat, aber bald einen plant, dann darf man das Zelt behalten, aber man sollte ehrlich zu sich sein und sich fragen, ob man tatsächlich noch einmal campen fährt. Hat man nämlich den letzten Campingurlaub schon gehasst, hätte man das Zelt auch gleich im Anschluss verkaufen können, anstatt es noch einmal im Keller zu parken. Mit einem fast neuen Zelt können Käufer auch mehr anfangen, als mit einem, dass fünf Jahre im Keller vor sich hin moderte.
Bei den oben erwähnten Bilderrahmen hätte man sie im Grunde auch gleich auf die Straße stellen können, denn wir fanden sie schon in dem Moment nicht mehr schön, als wir sie von der Wand nahmen. Kurioser Weise war das schon in unserer alten Wohnung. Sie hätten somit nicht mal umziehen brauchen. Aber man hängt halt an seinen Dingen und das ist m. E. die größte Falle: Man glaubt, dass einem etwas gefällt, weil man sich daran gewöhnt hat. Daher frage ich mich auch noch: „Wenn ich das jetzt im Laden sehen würde, würde ich es kaufen?“ Und darauf kommt dann ganz oft ein entschiedenes „Nein!“.
Zeit, ein wichtiger Faktor
Welcher Gedanke mir außerdem hilft, um von Dingen loszulassen, ist eine Idee aus dem Buch „Simplify your life“ (von Werner Tiki Küstenmacher und Lothar J. Siewert erschienen im Campus-Verlag): Man sollte errechnen, wie viele Jahre man braucht, um einen Stapel Zeitschriften zu lesen. Die Beispielrechnung war erschreckend. Und als ich dann mein Regal voll ungelesener Bücher betrachtete, wurde die Rechnung noch erschreckender. Ich hätte drei Leben gebraucht, um das zu schaffen. Die Bücher, die ich schon gelesen, aber gerne noch ein zweites Mal lesen wollte, waren noch gar nicht mit eingerechnet!
Das half. So konnte ich mich sogar von ungelesenen Büchern trennen. Heute trennte ich mich aus dem gleichen Aspekt von einer umfangreichen Sammlung von Handarbeitsheften. Selbst wenn ich aus jeder Zeitschrift nur ein Teil nähen würde, bräuchte ich fünf Leben, um damit fertig zu werden. Irgendwie erdrückte mich der Gedanke. Um so befreiter war ich, als ich mich trennen konnte. Nun habe ich nur noch pro Jahrzehnt einige Erinnerungshefte und alle Zeitschriften ab 2010. Das sind immer noch mehr als genug!
Wenn ich in einer Zeitschrift etwas Wichtiges finde, dann reiße ich mir die Seiten raus und werfe den Rest weg. Dadurch spart man enorm viel Platz! Und man hat alles Lesenswerte auf einem Haufen und muss nicht tausende von Seiten durchblättern.
Edit: Das mache ich inzwischen nicht mehr, sondern scanne mir die wichtigen Stellen ein oder fotografiere sie ab und verschenke die Zeitschrift als Ganzes. Da ich nur hochwertige Zeitschriften kaufe und sie relativ aktuell weitergebe, werden sie gerne von anderen mitgenommen.
Bei Stoffen und Wolle kann man das ähnlich betrachten: Werde ich es jemals schaffen, alle diese Stoffe zu vernähen? Die Antwort ist ein klares „Nein!“. Nun will ich trotzdem nicht alle Stoffe gleich wegwerfen, aber es gibt so viele Stoffe, die ich einfach nicht brauche, weil sie eine Struktur haben, die nicht zu meinen bevorzugten Projekten passen. Ich nähe z. B. keine Blusen und auch keine Sommerkleidchen, also können solche Stoffe schon mal weg. Manche Stoffe habe ich total günstig bei ebay ersteigert, konnte sie aber von vorn herein nicht leiden. Manche Stoffe kann man noch für Probemodelle nehmen, aber so viele?
Im Internet gibt es viele, die Stoffspenden suchen, da sie für wohltätige Zwecke nähen. Dahin gehen meine Stoffe. Genau das Gleiche passiert mit meiner Wolle.
Ordnung halten
Die einfachste Art, das Haus leer zu halten, ist nichts Neues zu kaufen! Einfacher gesagt, als getan. Überall locken Angebote und ständig wird einem suggeriert, was man noch alles gebrauchen kann. Sollte man nun doch einmal der Versuchung erlegen, kann auch die Regel „für jedes neue Teil muss ein altes gehen“ helfen.
Was mir beim Klamottenkauf sehr hilft mich einzuschränken, ist eine Entscheidungshilfe, die ich mal bei Shopping-Queen gesehen habe. Dort fragte sich eine Kandidatin beim Kauf von Klamotten immer: „Ist das Flirt oder Liebe?“ Der Flirt blieb im Laden, die Liebe durfte gekauft werden. Das half mir enorm! Seit dem kaufe ich nicht annähernd so viele Klamotten. Auch sage ich mir oft: „Lieber etwas mehr für ein anständiges Teil ausgeben, anstatt Tüten voller Billig-Klamotten.“ Das hilft mir enorm Sonderangebotsfehlkäufe zu vermeiden. Denn das Gehirn strömt bei Sonderangeboten zwar jede Menge Glückshormone aus, aber gespart wird am Meisten, wenn man vieles gar nicht erst kauft. Was man damit spart, darf man ruhig für einige, wenige, teurere und qualitativ hochwertige Teile ausgeben. Dadurch, dass diese länger halten und man durch weniger Kauf weniger Herstellungsmüll produziert, tut man gleichzeitig der Umwelt einen großen Gefallen.
„Bevor man etwas brennend begehrt, sollte man das Glück dessen prüfen, der es bereits besitzt.“ (François de La Rochefoucauld, französischer Schriftsteller, 1613 – 1680)
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