Ein Umdenken in meinem Konsum findet statt

Wie die Bekleidungsindustrie Druck ausübt

Gestern sah ich den Bericht „Die Story – Edelmarken zum Hungerlohn“ vom WDR und muss meine tiefe Betroffenheit gegenüber den Menschen in Bangladesch ausdrücken und meine Anwiderung gegenüber den Vertretern der Textilindustrie!

In diesem Bericht wird deutlich, wie verstrickt die Politik in Bangladesch mit den Fabriken vor Ort ist. Die Politiker von Bangladesch werden nie etwas an der Situation vor Ort ändern, da ihnen ein Großteil der Fabriken selbst gehören. Gleichzeitig (und damit die Situation verstärkend) wird aus der westlichen Welt Druck ausgeübt, indem gesagt wird, dass wenn sich die Standards in Bangladesch und damit die Preise erhöhen, die Textilindustrie weiter zieht. Ein neues Land hat man sich schon ausgeguckt: Myanmar.

Aber auch andere Länder sind denkbar: Kambodscha, Afrika.

Somit dreht sich das Karussel weiter und alles nur, damit sich die westliche Welt Monat für Monat neu einkleiden kann. Zeigen kann, was sie sich alles Schönes leisten kann.

Auch ich bin beteiligt

Nein, ich will mich davon nicht freisprechen! Wenn eine sich immer neu einkleiden musste, dann war ich das! Das Projekt lässt mich nun intensiv meine Beweggründe herausfinden, niedere Beweggründe wie Anerkennung, Trost, Vertreibung von Langerweile, Konsumsucht, Schnäppchensucht und sicherlich noch vieles mehr.

Und auch jetzt, nach fast fünf Monaten in diesem Projekt, versuche ich mich immer mal wieder in die Kleiderwelt zu flüchten, dort Trost zu suchen und mir mal was zu gönnen. Anfang diesen Monats war es für mich sehr schlimm, gleich mehrere Freundinnen und Kolleginnen erzählten mir umfangreich von ihren neuen Käufen. Alles neu macht der Mai.

In den letzten Monaten versuchte ich bewusst die Innenstädte zu meiden, damit ich nicht plötzlich einem Kaufrausch erliege und es klappte sehr gut. Führe mich nicht in Versuchung, war mein Motto. Leider musste ich neulich doch shoppen gehen. Ich konnte einfach nicht anders. Der Konsumrausch und dieses „ich will auch“ überkamen mich einfach.

Ja, ich achtete darauf, dass alles Made in EU war, aber ich fühlte mich trotzdem schlecht, denn nötig war das wirklich nicht. Es war ein Konsumrausch der feinsten Art, eine Art Rückfall, vielleicht wie bei einer Diät. Wenn man Monate lang Schokolade entbehrt, muss es plötzlich eine ganze Tafel sein.

Solche Filme, wie der vom WDR, helfen mir, wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen. Kleidung ist für die einen eine Form der Selbstdarstellung bzw. eine Lustbefriedigung und für die anderen eine Qual und für die Umwelt eine Belastung.

Wie das Projekt mich langsam verändert

Klar sagte ich anfangs, ich will nur faire Kleidung kaufen und schränkte dies sogar nur auf den Nähprozess ein, also warum ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn man sich fünf oder sechs Kleidungsstücke Made in EU kauft?

Weil durch das Projekt etwas Tieferes geschehen ist. Es beginnt eine Art ganzheitlicher Umdenkungsprozess. Mir werden die Auswirkungen meines Handelns auf diese Welt wesentlich bewusster. Seitdem versuche ich generell nicht mehr so verschwenderisch mit Konsum umzugehen, denn auch das ganze Dekogedöns wird häufig von kleinen Kinderhänden hergestellt und belastet die Umwelt. Außerdem stelle ich nach und nach alle Produkte im Haushalt auf Bio-Produkte um (das ist viel einfacher, als Fair Trade Kleidung zu kaufen!) und versuche mich nicht mehr mit dem Kauf von irgendwas aufzuheitern. Kaufen ist Lust, regt die Belohnungsrezeptoren im Gehirn an. Schnäppchenkauf noch viel mehr. Dies nehme ich immer bewusster wahr und versuche dies durch neue Belohnungssysteme zu ersetzen, denn (sinnloser) Kauf belastet immer unsere Umwelt in vielfacher Hinsicht.

Klar leben wir in einer kapitalistischen Welt, die ohne Kauf nicht funktioniert und in gewisser Weise hängt sogar mein Arbeitsplatz davon ab. Die Systeme sind sehr komplex. Aber vielleicht sind wir mit unseren Kaufzielen schon lange über das Ziel hinaus geschossen? Vielleicht ist es (hoffentlich bald) wieder angesagt, dass weniger mehr ist? Vielleicht sollten wir uns wieder mehr hin zu den Philosophien unserer Eltern und Großeltern bewegen? Lieber Weniges, wirklich Gutes kaufen, anstatt viel und dafür billig.

Das wäre sicherlich ein Weg, aber alleine in diesen fünf Monaten merke ich, wie schwer das ist! Nur solche Beiträge, wie dieser vom WDR helfen mir, immer und immer wieder unser derzeitiges Marktsystem zu hinterfragen und mich bewusst dagegen zu entscheiden, denn leicht ist eine Umstellung nicht! Wir sind schon so dermaßen auf Konsum getrimmt, dass wir an dem Tropf der Marktwirtschaft wie Junkies hängen, ohne es zu merken. Und dazu gehört nicht nur die Kleidung – hier spreche ich gerne die Männer extra an, die sich aus dem Thema gerne herausziehen, da sie weniger Kleidung kaufen – nein, auch Baumaschinen, Handys, Sportkleidung incl. hipper Turnschuhe, Playstation, Laptops und vieles mehr, werden unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt und später genauso gewissenlos entsorgt.

Und vermutlich ist es bei Konsumjunkies genauso, wie bei richtigen Junkies, der Rückfall ist die Regel, nicht die Ausnahme. Also hier meinen tiefsten Respekt allen, die zumindest in eine kleine Ecke ihres Lebens Bio und Fair Trade einziehen lassen, die sich (vielleicht ja auch durch diesen Blog) anregen lassen etwas mehr darauf zu achten, fairer durch die Welt zu gehen. Glaubt mir, ich weiß, wie schwer das ist, aber wenn jeder nur ein bisschen anfängt, wird sicherlich viel geschehen.

Just One Fair Trade purchase from all of us would lift One Million families out of poverty for one whole year.

Dieser Artikel ist Teil meines Projektes „One Year fair Clothes„. Das heißt, dass ich versuche, ein Jahr nur Kleidung zu kaufen, deren Hersteller fair entlohnt werden. Dafür recherchiere ich über das Thema und verblogge meine Ergebnisse hier. Genaueres habe ich in diesem Artikel beschrieben.


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